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  • Vergleich Antriebsarten Pkw mit Strom als Energiequelle
    Grafik: VDE / Heinrich-Böll-Stiftung 2022

Weitere Studie: E-Fuels nicht sinnvoll für großflächigen Einsatz bei Pkw und Lkw

Die Politik mag große Hoffnungen an E-Fuels knüpfen, Teile der Gas- und Automobilindustrie ebenfalls. Dennoch zeigen wiederholt Untersuchungen zu Einsatz, Kosten und Umweltbilanz, dass gerade im Bereich des massenhaften Einsatzes in Verbrennungsmotoren alles dagegen spricht, dass E-Fuels zur Klimaneutralität beitragen können. Viel eher blockieren sie eine notwendige Verkehrswende.

Theoretisch ist die Sache klar: Stammt der Strom zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen, so genannten E-Fuels aus erneuerbaren Quellen und das notwendige CO2 aus der Atmosphäre oder aus Industrieabgasen, lassen sich damit Verbrennungsmotoren nahezu klimaneutral betreiben.

Der Wirkungsgrad und damit die Energie- und Umweltbilanz bleibt jedoch schlechter als bei der direkten Nutzung des Stroms für den Antrieb von Motoren, also zum Beispiel in E-Autos und E-Lkw. Im Faktencheck zur zukunftsfähigen Mobilität schneidet der Elektromotor einfach am besten ab. Die notwendige Emissionswende erfordert zudem eine neue Verkehrspolitik als lediglich eine Fokussierung auf eine Antriebswende.

Zudem reicht die Menge an erneuerbarem Strom aus Photovoltaik-, Wind- oder Wasserkraftanlagen auch nicht annähernd aus, um gegenwärtige Flottengrößen mit synthetischem Brennstoff zu versorgen – zumal Ökostrom ja auch für die Wärmewende und die Abkehr von fossilen Energieträgern in der Industrie dienen soll. Weder hierzulande, noch in Kanada aus Wasser- oder Windkraft, oder in Nordafrika aus riesigen Solaranlagen.

Auch gegen die Vorstellung, dass in der MENA-Region, den Ländern des mittleren Ostens und Nordafrikas, Brennstoffe für die Länder des Nordens in solchen Mengen produziert werden könnten, sprechen die Forschungsergebnisse zum Beispiel der MENA-Fuels-Studie.

Zweifelhafte Initiative: Verbrenner-Pkw ab 2035 in der EU

Nachdem aber nun die deutsche FDP dafür gesorgt hat, dass ab 2035 in der EU nun doch weiterhin Neuwagen mit Verbrennermotor zugelassen werden dürfen, wenn sie ausschließlich mit E-Fuels betankt werden, ist die Debatte um die Sinnhaftigkeit der synthetischen Kraftstoffe nicht abgeschlossen, sondern dürfte eigentlich erst richtig "entbrennen".

Zumal auch klar der Politik klar ist, dass die Preise für E-Fuels weit höher als die für direkt zu ladenden Strom sein werden – und das FDP-geführte Finanzministerium nach dem von ihr geforderten EU-Beschluss prompt Steuererleichterungen für E-Fuels in Aussicht gestellt hat. Auf die Kosten einer solchen weiteren Subventionierung geht Rainer Grießhammer, ehemaliger Leiter des Öko-Instituts, in seiner Kolumne in der Frankfurter Rundschau ein.

Für eine zukunftsweisende Verkehrspolitik wäre zwar eine starke Reduktion der Individualmobilität möglich und die Verlagerung auf umweltfreundliche Mobilität wie Fahrrad, Bus und Bahn, wie in der Verkehrswende bis 2035-Studie beschrieben. Doch eine absatzgetriebene und automobilfixierte Industrie will sich selbstverständlich ihre Geschäftsmodelle erhalten – zumal der Ausbau der umweltfreundlichen Infrastruktur selbst mit dem Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung noch Jahre bzw. Jahrzehnte dauern wird.

Eine neue Studie des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) fasst die Situation und Aussichten für E-Fuels noch einmal zusammen. Die Gründe, die gegen den Einsatz von mit Strom hergestellten synthetischen Kraftstoffen bei Pkw und Lkw sprechen, sind nach Ansicht der Autor*innen mannigfaltig: Günstigere Alternativen, hoher Energiebedarf zur Herstellung, fragwürdige Umweltbilanz und mögliches Hindernis für die Verkehrswende.

Das Diskussionspapier nimmt zudem kritisch und auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse Stellung zur Entscheidung der Bundesregierung, die tatsächlich vorsieht, dass E-Fuels künftig eine wichtige Rolle bei der Erreichung der Klimaneutralität im Verkehr spielen sollen. 

Nach monatelanger Diskussion hatte die Bundesregierung in ihrem kürzlich veröffentlichten Modernisierungspaket nun offiziell verkündet, die Produktion und Nutzung klimafreundlicher E-Fuels künftig für den Straßenverkehr zu fördern. Und auf europäischer Ebene hatte sie eben bewirkt, dass ausschließlich mit E-Fuels betankte Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auch nach 2035 in der EU zugelassen werden können.

Die Autor*innen des Diskussionspapiers kommen bei Frage nach der Sinnfälligkeit dieser E-Fuels-Förderung zu dem Schluss, dass der kurz- und mittelfristige Einsatz von strombasierten E-Fuels im Straßenverkehr aus folgenden Gründen nach derzeitigen Wissensstand wenig Sinn ergibt:

"Die weltweite erneuerbare Stromproduktion müsste im Vergleich zum heutigen Stand fast verdoppelt werden, um im Jahr 2050 einen weltweiten Anteil von zehn Prozent an grünem Wasserstoff und synthetischen Brenn- und Kraftstoffen einschließlich E-Fuels zu erreichen – letztere werden daher noch lange knapp und teuer sein.

Der Einsatz von grünem Wasserstoff und synthetischen Brenn- und Kraftstoffen sollte sich auf Anwendungsbereiche konzentrieren, in denen keine anderen wirtschaftlichen Alternativen zur Erreichung der Treibhausgasneutralität zur Verfügung stehen, wie im Stahlsektor, der Grundstoffchemie, Raffinerien und dem internationalen Flug- und Schiffsverkehr. Alleine auf diese Anwendungen entfallen rund 15 Prozent des Endenergiebedarfs Deutschlands im Jahr 2045. Für den Straßenverkehr verblieben dann kaum nutzbare Mengen.

Eine großflächige Nutzung von E-Fuels bei Pkw und Lkw ist ökonomisch nicht zielführend. Die Umwandlungsverluste sind enorm und Alternativen wie die direkte Elektrifizierung sind auf die Stromnutzung bezogen bis zu fünfmal effizienter. E-Fuels sind dagegen teuer und können von einkommensschwächeren Haushalten in Zukunft kaum bezahlt werden: Studien gehen nach Erreichung von signifikanten Kostensenkungspotenzialen für 2050 noch von einem Preis zwischen 1,20 Euro und 3,60 Euro pro Liter für E-Fuels aus – zuzüglich Steuern, Abgaben, Gewinnmargen, Vertriebsausgaben sowie Forschungs- und Entwicklungskosten.
Allein Steuern und Abgaben dürften den Literpreis schon um einen Euro verteuern. Zum Vergleich: Der Literpreis für fossile Kraftstoffe ohne Steuern und Abgaben liegt aktuell bei ca. 0,60 bis 0,70 Euro pro Liter.

Bewertet man die Kosten für den Klimaschutz, so liegen die CO2-Vermeidungsskosten bei Pkw mit E-Fuels in 2030 bei ca. 1000 Euro pro Tonne CO2 und damit um ein Vielfaches über denen der Elektromobilität oder anderer Klimaschutzmaßnahmen. Somit gibt es aus heutiger staatlicher Sicht hinsichtlich einer Klimaschutzstrategie nur wenig Gründe, aktuell E-Fuels bei Pkw und Lkw zu fördern.

Die Umweltbilanz von E-Fuels ist problematisch: bei ihrer Verbrennung im Motor fallen NOx, Kohlenmonoxid und Feinstaub an. Zudem ist der Gesamtwirkungsgrad gering und der Energiebedarf für die Herstellung hoch. Der dafür erforderliche starke Ausbau an Stromerzeugungskapazitäten ist unter anderem mit einem enormen Flächen- und Ressourcenbedarf an kritischen Rohstoffen verbunden, der sich auf die Ökobilanz von E-Fuels negativ auswirkt.

Die kurzfristige Markteinführung von E-Fuels ist aus Sicht der Technologieoffenheit nicht notwendig. Nach heutiger Planung sollen E-Fuels die heute gültigen Kraftstoffnormen erfüllen, so dass motorenseitig sowie bei den Tankstellen keine weiteren Entwicklungen notwendig sind.

Somit geht es um die Herstellung von synthetischen Brenn- und Kraftstoffen und dem Produktionshochlauf, die die Technologieoffenheit bestimmen. Da diese aber für andere Anwendungsfelder wie den internationalen Flugverkehr notwendig sein werden, ist davon auszugehen, dass die Entwicklung von E-Fuels unabhängig vom Straßenverkehr voranschreiten wird. Sollten sich die heutigen wissenschaftlichen Prognosen für E-Fuels wider Erwarten als zu pessimistisch erweisen, so könnte ihr Einsatz für den Straßenverkehr noch später stärker erwogen werden."

Prof. Dr. Martin Wietschel, Leiter des Competence Centers Energietechnologien und Energiesysteme am Fraunhofer ISI und Mitautor des Diskussionspapiers, weist zudem auf mögliche Gefahren für die gesamte Verkehrswende hin: "Aus Sicht der heutigen Studienlage könnte sich die Förderung von E-Fuels im Straßenverkehr negativ auf die Verkehrswende auswirken, da ihr Einsatz und ihre Verfügbarkeit derzeit wirtschaftlich und ökologisch nicht zielführend sind. Aus Innovationssicht könnten notwendige Initiativen in Richtung Elektromobilität oder andere alternative Mobilitätsformen verlangsamt werden – denn zum Gelingen der Verkehrswende braucht es auch klare Signale sowie Planungs- und Erwartungssicherheit."

E-Fuels kein Beitrag zur automobilen Ressourcenwende

Soweit, so deutlich. Aus wissenschaftlicher Sicht wird der Pro-E-Fuels-Politik Deutschlands und der EU und der dahinterstehenden Industrie damit erneut eine deutliche Absage erklärt.

Vor dem Hintergrund einer Circular Economy bzw. einer Ressourcenwende ließe sich vielleicht noch argumentieren, dass sich mit E-Fuels die Nutzungsdauer der Bestandsfahrzeuge auf zwanzig oder dreißig Jahre verlängern ließe und damit Ressourcen länger genutzt würden. Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von Pkw von rund 10 Jahren laut Kraftfahrt-Bundesamt 2021 ist es jedoch eher unwahrscheinlich, dass durch Reparieren und Pflegen derart viele Ressourcen gespart werden könnten, dass sie den hohen Ressourcenaufwand der E-Fuels rechtfertigen würden.

Dagegen spricht eben auch, dass die gegenwärtige Wirtschaftsweise an einer Kreislaufführung von Produkten, an Remanufacturing und möglichst langer Lebensdauer von Fahrzeugen kein Interesse hat – und auch ihre Kund*innen vom Bild immer neuer Fahrzeuge mit entsprechender Ausstattung geprägt sind. Aber selbst das ließe sich ja erfüllen, wenn die Gesellschaft bzw. Politik die dazu gehörigen Leitplanken errichtete.

Mehr zu einer klima- und umweltfreundlichen Verkehrspolitik der kleinen und großen Schritte im factory-Magazin Mobilität oder in einzelnen Beiträge auch in den Themenbereichen Freiheit und Klimaneutralität.

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