Die Bilder von den Zerstörungen im Ahrtal werden in Deutschland noch lange in Erinnerung bleiben. Mit diesem Ereignis wurde mitten im Bundestagswahlkampf selbst dem Letzten klar, dass die Klimakrise auch Mitteleuropa nicht verschonen wird und die Kosten für Katastrophenbewältigung erheblich sein werden. Und mit jedem Zehntelgrad mehr, könnten die klimawandelinduzierten "Wetterereignisse" noch erschreckendere Bilder und Opferzahlen schaffen.
Klimawissenschaftler*innen warnen davor schon seit Jahrzehnten. Viele hatten gehofft, dass das Argument der hohen ökonomischen und sozialen Kosten der Folgen zu rascherem Handeln seitens Politik und Wirtschaft führen würden. Doch erst jetzt scheinen Starkregen, Überflutungen, Hitze- und Trockenperioden als Auswirkungen des Klimawandels in der breiten Öffentlichkeit angekommen zu sein. Nun wird auch der etablierten Politik deutlich, dass die ungebremsten Folgen tatsächlich auch zu hohen Kosten für die Gesellschaft führen. Und das nicht nur irgendwo auf der Welt, sondern auch hierzulande.
Erst in der vergangenen Woche hatte eine Studie gezeigt, dass die etablierten politischen Strukturen nicht ausreichen, um eine sozial gerechte Politik zu gestalten. Notwendig sei mehr Beteiligung über Bürgerräte, Verbandskooperationen und eine ressortübergreifende Klimapolitik.
Die Klimakrise wird durch die wachsende Ungleichheit zusehends zur sozialen Krise. Denn die Kosten für die Anpassung an bzw. für die Beseitigung der Klimafolgeschäden werden unterschiedlich stark von verschiedenen Gruppen in der Bevölkerung getragen. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie des FÖS und des Öko-Instituts im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Besonders stark betroffen sind dabei häufig Menschen mit einem geringeren Einkommen, etwa wenn Lebensmittel durch Ernteausfälle wegen Hitze oder Starkregen teurer werden oder wenn die Preise für den ÖPNV steigen, weil Kommunen Mehrkosten für Schadensbeseitigung an der Infrastruktur bedingt durch Sturm- und Hochwasser an ihre Bürgerinnen und Bürger weitergeben müssen. Ältere Personen können durch Hitzeereignisse oder andauernde Hitze gesundheitlich beeinträchtigt sein. Eine weitere vulnerable Gruppe sind Mieterinnen und Mieter, die hitzebedingt selbst für zusätzliche Raumkühlung sorgen müssen.
Klimaschutz wirkt sozial ausgleichend
Für die Bereiche Wohnen, Ernährung und Landwirtschaft, Verkehr und Mobilität sowie Gesundheit skizziert die Studie, welche Auswirkungen der Klimawandel hat und wie diese auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen wirken. So werden sich die Menschen in ihren Wohngebäuden an mehr Hitzetage im Jahr anpassen, aber auch für Hochwasserereignisse vorsorgen bzw. die Folgen beseitigen müssen. Das trifft die Vermietenden, die für die Beseitigung der Schäden verantwortlich sind ebenso wie die Mietenden, die Mehrkosten für die Kühlung tragen.
Die wichtigste Aufgabe besteht darin, diese Folgen von vorneherein zu vermeiden. Die Lösung dafür sind Klimaschutzmaßnahmen. Diese müssen sozialverträglich ausgestaltet sein. Das Öko-Institut hat sozialverträgliche Klimaschutzmaßnahmen für den Gebäude- und Verkehrsbereich in einer weiteren Studie für das Arbeitsministerium skizziert. Dazu gehören etwa energetische Sanierungen, bei denen sich Vermietende und Mietende die Kosten teilen ebenso wie ein deutlich günstigerer ÖPNV. So werden klimaschädliche Treibhausgase vermieden und gleichzeitig die Belastungen für die Menschen reduziert – nur so können die großen Herausforderungen einer nachhaltigen Transformation gestemmt werden.
Bei der Ernährung ist Vorsorge die beste „Medizin“
Für die Versorgung mit Nahrungsmitteln haben die Wissenschaftlerinnen eine vertiefte Analyse vorgelegt. Auch diese zeigt, dass Vorsorge das beste Mittel gegen den Klimawandel ist. Nur wenn frühzeitig Anreize für eine klimafreundliche Ernährung gesetzt werden, können klimawandelbedingte Härten abgefedert werden. Andernfalls drohen Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln etwa durch Ernteausfälle und deren Folgen.
Dies berührt einkommensschwache Haushalte besonders, weil sie prozentual einen höheren Anteil ihres monatlichen Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben. Schnelle Hilfe wäre in diesen Fällen gefragt, unter anderem durch Flexibilität in unseren sozialen Sicherungssystemen. „Dieses erlaubte zum Beispiel auch während der COVID-Pandemie temporäre und unbürokratische Unterstützung besonders vulnerabler Haushalte“, fasst Hannah Förster, Expertin für Klimaschutz zusammen.
Das FÖS hat heute in der Reihe #SozialerKlimaschutz den ersten Teil dieser "sozialpolitischen Aspekte des Klimaschutzes" in einem kurzen "Policy Brief" dargestellt. Unter dem Titel „Folgekosten der Klimakrise. Warum sie die gesellschaftliche Ungleichheit verstärken“ fasst er die wesentlichen Erkenntnisse der Studie für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zu den "Verteilungswirkungen eines fortschreitenden Klimawandels" zusammen.
Deutlich wird, dass unterlassener Klimaschutz langfristig unsozialer wäre als die frühzeitige Umsetzung von wirksamen Klimaschutzmaßnahmen. Denn der Klimawandel wird absehbar besonders Grundbedürfnisse wie Wohnen, Ernährung und Mobilität verteuern.
Drei weitere Teile der Reihe #SozialerKlimaschutz“ sollen im Lauf des Septembers folgen. Sie werden u.a. die Lenkungswirkung des nationalen Emissionshandels behandeln, wie dieser bei weiter steigenden Preisen sozialverträglich gestaltet werden kann und wie eine faire Kostenteilung im Mietbereich aussehen könnte.
Quelle: FÖS, Öko-Institut
Mehr zu den Fragen und Antworten um Klima und Soziales zum Beispiel in Klima als Plattentektonik der sozialen Frage im factory-Magazin Change. Oder auch im Magazin Steuern oder Freiheit.