Utopien
Seien wir realistisch: Denken wir utopisch!
TASA übernimmt, denn TINA hat abgewirtschaftet. Statt der von Maggie Thatcher erfundenen Alternativlosigkeit (There is no alternative = TINA) gilt eigentlich: There are some alternatives (TASA), wenn es um Wirtschaftsordnungen und -systeme geht, die das Ideal einer zukunftsfähigen Gesellschaft verfolgen. Immerhin treibt der Klimawandel dem herrschenden Neoliberalismus die utopische Kraft aus. Doch für „echte Zukunft“ muss man offen sein und anderes wünschen.
Von Andres Friedrichsmeier
Um 1507, bereits drei Jahre von der portugiesischen Entdeckungsflotte Amerigo Vespuccis getrennt, trifft der Seefahrer Raphael Hythlodeus an der brasilianischen Atlantikküste auf die Inselstadt Amaurot. Sein neun Jahre später veröffentlichter Reisebericht über den blumengeschmückten Ort sprüht vor Verblüffung. Trifft der europäische Entdecker doch dort auf eine Gesellschaft, die gleichermaßen hoch entwickelt wie desinteressiert ist an materiellen Statussymbolen. Aus heutiger Perspektive handelt es sich eindeutig um eine frühe Post-Konsumgesellschaft. Amaurot ist ökologisch nachhaltig und gleichzeitig ein frühmoderner Wohlfahrtsstaat – und zwar ganz ohne Geld. Obschon kein idealer Ort frei von Kriminalität oder Krieg, ist der Inselstaat noch heute ein Traumort. Aktivisten des Bedingungslosen Grundeinkommens führen Amaurot regelmäßig als ersten Umsetzungsort an. Wobei „bedingungslos“ wohl nicht vollständig zutrifft, denn der historische Reisebericht notiert zwar eine kostenlose Grundversorgung für alle Ortsansässigen, aber auch strikten Arbeitszwang. Darüber hinaus erfahren wir von einer beträchtlichen Zahl Sklaven, rekrutiert aus jenen, die den örtlichen Regeln nicht gehorchen. Oder denjenigen, die von der verteidigungsbereiten Gemeinschaft an der Flussmündung des Anider als Feinde eingestuft worden waren. Ist Amaurot also ein utopischer Ort – oder doch eher ein Vorläufer Pol Pots Khmer-Regime? Beziehungsweise eine „verschärfte DDR“, wie kürzlich in der ZEIT zu lesen war? Nun, Amaurot liegt auf der Insel Utopia, griechisch für „ohne Ort“, und letztere ist gleichzeitig Titel des genrebildenden Romans Thomas Morus
Eine „(E)Utopie“ ist eine Konzeption des Guten der Gesellschaft, die mithilfe einer fiktiven Ortsbeschreibung veranschaulicht wird, also eine ausgemalte Vision.
Gleich dieses erste Exemplar der Literaturgattung führt uns vor Augen, dass sich die Eu-topie kaum wort-wörtlich ernst nehmen muss. Vermutlich darf sie es auch nicht, um kritisch nachzuwirken. Der Humanist Morus hätte seine Vision einer Welt ohne Geld niemals mit inhumaner Gewalt durchzusetzen versucht. Anders als etwa viereinhalb Jahrhunderte später Pol Pots Rote Khmer, die, im Unterschied zum realsozialistischen Ostblock, tatsächlich todernst machten mit der Vision einer Gesellschaft ohne Geld.
Die -Fundamente der Gesellschaft
„Utopie“ hat heute – nicht allein der Roten Khmer wegen – einen eher schlechten Leumund. Die politische Rechte gründet ihren Vorbehalt gegen die Utopie – gewohnt hemdsärmelig-scharfsinnig analysiert dies Occupy-Vordenker David Graeber in seinem Buch „Utopia of Rules“ – auf ihre Überzeugung, dass die Fundamente jeder Gesellschaft auf Gewalt gründen – notwendiger Weise. Genreprägend für ebendiese Idee ist bekanntlich der 135 Jahre nach „Utopia“ veröffentlichte Leviathan von Thomas Hobbes. Kern des „Leviathan“ ist die Rechtfertigung des Gewaltmonopols des Staats, weil es die einzig „realistische Alternative“ zum selbstzerfleischenden Kampf aller gegen alle sei. Die an Hobbes anknüpfende rechte Sichtweise bezeichnet sich selbst als „realistische“ und reklamiert damit den begrifflichen Antipoden der Utopie. „Realistisch“ meint in dieser Perspektive nicht, die bestehenden Verhältnisse seien gut. Man räumt ein, dass sie den Reichtum der Wenigen mehr schützen als bloß formale Rechte der vielen anderen; ja, vermutlich gründeten die bestehenden Verhältnisse sogar auf Brutalität und Gewaltakte – denken wir etwa an die inhumanen Kriege, die den meisten modernen Nationalstaatsgründungen vorangehen. Bloß dürfe man die bestehenden Verhältnisse niemals mit einer selbst ausgedachten Utopie herausfordern. Warum nicht? „Realistisch“ anzuerkennen sei, dass Gesellschaftsfundamente in Gewalt gründen. Wer das, von utopischen Visionen des Guten geleitet, ignoriert, wird bloß die Rückkehr von noch mehr Gewalt bewirken, kurz: Hobbes‘ „alle gegen alle“ erneut lostreten.
Die politische Linke operiert unbefangener mit Visionen des gesellschaftlichen Guten. Aber auch ihre Vorbehalte werden umso größer, je vollständiger die Visionen ausgemalt, sprich: Utopie im engeren Sinn werden. Hier wirkt die massive Polemik von Karl Marx (und viel später auch Adorno) gegen zeitgenössische utopische Sozialisten nach.
Kern des Marx’schen Arguments ist, dass nicht subjektive Phantasien, sondern nur objektive Analysen rational auf eine bessere Gesellschaft hin orientieren.
Zumal jede utopische Phantasie zwangsläufig in genau jener alten Ordnung wurzelt, die sie kritisiert. Ist „Utopie“ demnach überhaupt ein linkes Genre? Einmal abgesehen von prominenten rechtslibertären Utopisten wie Ayn Rand; was ist davon zu halten, wenn das philosophische Enfant Terrible Slavoij Žižek behauptet, das eigentliche Zeitalter der Utopien seien die 1990er-Jahre gewesen? Also ausgerechnet die Hochphase des Neoliberalismus? Und Fukuyamas Ausrufung des Endes der Geschichte, welche man getrost übersetzen mag als „Utopie vom Ende der Utopie“? Das nämlich bedeutet, ausgerechnet Margaret Thatchers Mantra vom „There is no alternative“, also der Behauptung, es gäbe keine „realistische“ Alternative zu Sozialabbau, den Status einer Utopie zuzuschreiben.
Auf die Gefahr hin, damit dem Utopiebegriff den Gehalt zu entziehen: Da ist etwas dran. Den von Margaret Thatcher oder etwa Ronald Reagan angestoßenen radikalen Umgestaltungsprojekten in den 1980er-Jahren lässt sich definitiv eine Gesellschaftsvision zuordnen. Und stellen wir uns diese Vision ein wenig ausgemalter vor, voilà, ist es eine Utopie. Auch ungeachtet von Thatchers Insistieren, so etwas wie „Gesellschaft“ gebe es nicht (eine These, die sich übrigens ernsthaft diskutieren lässt): „Neoliberal“ und „Utopie“ sind keinesfalls Gegensätze, das zeigt bereits ein oberflächlicher Blick auf Galionsfiguren des Neoliberalismus wie Milton Friedman. Der war nicht nur Befürworter der Legalisierung von Marihuana, sondern auch einer Spielart des bedingungslosen Grundeinkommens. Ohne weitere Prüfung oder gar Amaurots Arbeitssklaverei bekämen Geringverdiener bei Friedmans‘ negativer Einkommenssteuer einen regelmäßigen Scheck vom Finanzamt.
Die Kernvision der Neoliberalen ist gleichwohl eine andere. Nämlich die einer „rationalen“ Ersetzung von Politik durch (Finanz-)Märkte. Die Utopie: Politischer Ämterpatronage ist der Boden entzogen. Und statt bloß alle vier Jahre unter massivem Einfluss von Medienkampagnen zwischen wenigen Kandidaten auszuwählen, wirken wir tagtäglich als rationale Marktteilnehmer daran mit, welche Richtung unser privatisiertes Gesundheits- oder Bildungssystem einschlägt. Zwar teilt nicht jeder diese – mit der Finanzkrise 2007 unpopulär gewordene – Utopie, aber es ist eine waschechte Utopie.
Visionäres Management
Um eine weitere, potenziell irritierende Beobachtung hinzuzuziehen: Die kleinen Schwestern der Utopie, „Vision“ und „Leitbild“, haben zeitlich parallel und zusammen mit dem Neoliberalismus einen kometenhaften Aufstieg in der gesamten westlichen Welt erlebt – und zwar als Managementinstrumente. Kein größeres Unternehmen, keine deutsche Hochschule kommt mehr ohne „Leitbild“ oder „Mission Statement“ aus. Heutige Führungskräfte der Privatwirtschaft lernen in Workshops, wie sie ihre individuellen Leitwerte und Visionen herausarbeiten und anschließend den Angestellten kommunizieren. Warum und wozu das? Offensichtlich fehlen dem so genannten „Kapitalismus“ die von Marx vermuteten ehernen Gesetze, deren „objektive“ Analyse hinreichenden Halt für eine zeitgemäße Ausrichtung von Gesellschaftskritik böte. Oder eben Halt für den Führungsstil heutiger Manager. Wollen letztere in der Privatwirtschaft erreichen, dass ihr Personal kreativ und selbstverantwortlich tätig ist – anstelle Dienst nach Vorschrift zu leisten – brauchen sie weit mehr als die ebenfalls gängig gewordenen, „objektiven“ Performanz- und Ertragskennzahlen.
Was die Manager – zusätzlich – benötigen, sind gemeinsame leitende Visionen, am besten anschaulich ausgemalt, sprich: kleine Utopien.
Nun steht auf einem anderen Blatt, was Beschäftigte von den „Mission Statements“ ihrer Arbeitgeber halten. Halten wir gleichwohl fest, dass Management und -ratgebern schon lange klar ist, dass Visionen unverzichtbar sind. Weitaus weniger scheint dies in der Politik angekommen zu sein. Kann eine von ihren Mitgliedern selbstverantwortlich und kreativ gestaltete Gesellschaft, sprich: eine Demokratie, ohne geteilte Visionen funktionieren? Sie kann es nicht. Demokratie, erstarrt zum Dienst nach Vorschrift und Parlamentsbetrieb, scheint nur noch ein entkoppeltes Spiel einer kleinen Kaste zu sein. Ein Spiel, dass keine mitfiebernden Zuschauer bei Phoenix findet, sondern allenfalls als zynische Karikatur in Form der TV-Serie House of Cards. Kurz, ohne Eu-topie fehlt es an einer Leitidee des Guten. Letzteres übrigens benennt der große US-Politikwissenschaftler John Rawls als notwendige Bedingung von „politischer Rationalität“. Gemäß der eingangs getroffenen Bestimmung, dass Eu-topie eine – nicht unbedingt wortgetreu umzusetzende – Veranschaulichung einer Leitidee vom gesellschaftlichen Guten ist, drehen sich damit die Verhältnisse um: Die „realistische“, leitideefreie Sichtweise steht als politisch irrational da, weit mehr als die politische Utopie der Neoliberalen (nämlich der Politik den Raum zu nehmen).
Letztere Differenzierung ist vielen Gesellschaftskritikern unwichtig. Für sie gehören neoliberale Politikfeindlichkeit, Thatchers viel kopiertes „There is no alternative“-Mantra und die selbsternannt „realistische“ Politikperspektive zusammen. Alle drei hätten gemeinsam dazu geführt, dass wir heute von einer „ideology of not being ideological“ (Mark Fisher) beherrscht werden. So spitzfindig wir (oder Žižek) nun einwenden mögen, auch das „Ende aller Ideologie/Utopie“ sei seinerseits eine Utopie: richtig, aber eben keine, die uns zum eigenständigen utopischen Denken ermuntert – ganz im Gegensatz etwa zu Thomas Morus‘ „Utopia“. Und genau hier liegt die Krux, konkret:
In der Konsequenz geht uns die Idee der Gestaltbarkeit unserer Gesellschaft verloren, mit Begleiterscheinungen wie einer zunehmenden „Aushöhlung der Demokratie“ (Colin Crouch).
Beschleunigung durch Finanzinnovationen
Entsprechend populär in Theoriedebatten sind deshalb Aufrufe geworden, die mit diesem Missstand aufräumen wollen, indem sie der politischen Linken eine Art neues „Mission Statement“ verordnen wollen. Wobei der dem Managementinstrumentarium entlehnte Begriff tatsächlich treffender ist als der der „Utopie“. Denken wir exemplarisch an das vieldiskutierte Londoner Accelerationist Manifesto. Kurz gefasst lautet dessen Mission Statement, die Linke solle sich die Idee des Fortschritts, der Beschleunigung, der Akzeleration wieder aneignen, indem sie „die Welt von einer erst offen zu entwerfenden Zukunft aus in den Blick nimmt“. Die Betonung liegt auf „offen zu entwerfen“, also der Aufforderung zur Eu-topie. Denn auch das neoliberale Projekt schafft es, „die Welt von der Zukunft aus in den Blick zu nehmen“. Das muss sie sogar zwangsläufig, um ihre Kernutopie, der Politik den Raum zu nehmen, umsetzen zu können. Wenn nämlich Politik das Geschäft der Zukunftsgestaltung ist, wie ließe sich Zukunft gestalten ohne Politik? Die innovative Antwort lautet „Finanzinnovationen“, Derivate, Futures. Wenn ich heute mit solchen Instrumenten beispielsweise auf die Ölpreisentwicklung spekuliere, trage ich ernsthaft dazu bei, „die Welt von der Zukunft aus in den Blick zu nehmen“ – und zwar in einen Blick in der Währung Dollar oder Euro: Indirekt ermögliche ich dem Chemiekonzern BASF, seine Produktionsplanung heute (kostenmäßig) schon so vornehmen zu können, als sei die Zukunft des Produktionsrohstoffs Öl bereits bekannt.
Das ist nicht automatisch verwerflich, ja oft sogar nützlich, aber schlicht ein sehr einseitiger Blick „von der Zukunft aus“. Spekulieren ist zwar zukunftsoffener als bloß planerisches Interpolieren vergangener Kostenwerte, aber eben kein Entwerfen einer ANDEREN Zukunft, die wir erst SELBST herstellen müssen. Ohne letzteres geht es, folgen wir Ernst Bloch, nur um „unechte Zukunft“:
In unechter Zukunft wartet das regelmäßige Schlafzimmer. […] In echter Zukunft liegt dagegen alles Neue kraft Veränderung, als das noch nicht Erschienene.“
„Echte Zukunft“ und Akzeleration benötigen demnach Offenheit, welche sich Neoliberale nur als Venture Capital oder Angel Investor vorstellen mögen.
Seien wir aber noch einen Moment vorsichtig, etwa mit Blick darauf, wie sich Ernst Bloch 1959 einen offenen Blick von der Zukunft utopisch ausmalte: „Einige hundert Pfund Uranium würden ausreichen, […] Grönland und die Antarktis zur Riviera zu verwandeln.“ Teilen Bloch, die linken Akzelerationisten und die Neoliberalen etwa doch eine gemeinsame Utopie, nämlich die vom ewigen Wirtschaftswachstum? Gäbe es nämlich unsere alte Wirtschaftsleitidee als utopischen Roman, dann drehte sich die Handlung um Karibikurlaub, fliegende Sportwagen und Einwegkleidung aus Gold. Unsere heimlich geteilte Konsumentenutopie trägt allerdings einen schweren Mühlstein um den Hals, mit der Aufschrift: Klimakatastrophe.
Was uns zur anderen Ursache für unsere aktuelle Utopiearmut führt, an der wohl – anders als Akzelerationisten, Crouch oder Fisher glauben – nicht allein die Neoliberalen Schuld tragen. Ich rede von Jahrzehnten des Verdrängens und Versagens im Umgang mit der Klimafrage. Meist verdrängen wir sogar, wie lange wir sie bereits verdrängen. Nämlich weit über eine Generation. Spätestens 1972 erfuhr die (westliche) Weltöffentlichkeit mit dem Bericht des Club of Rome prominent von Grenzen des Wachstums. Die Mehrzahl der heute lebenden Menschen ist nach jenem Datum geboren worden, an dem hierzulande jeder mindestens einmal vom Klimawandel gehört (und meist gleich wieder verdrängt) hat. Nahezu jedes Jahr steigt seitdem der CO2-Ausstoß – und dieses Versagen zersetzt unser politisches Utopievermögen.
Die gemeinsame Utopie
Shakespeares Macbeth – verfasst etwa 90 Jahre nach „Utopia“ – führt vor, wie unverarbeitete Schuld die Weltoffenheit erstickt. Ähnlich wie das Ehepaar Macbeth vom Mordopfer Banquo bespukt wird, so lähmt uns die Schuld, trotz besseren Wissens am falschen Leitbild in Sachen Wirtschaftsentwicklung festzuklammern. Natürlich wissen wir, dass mehr CO2-Ausstoß die gemeinsame Zukunft der Menschen bedroht. 44 Jahre nach dem Bericht des Club of Rome und 24 nach der Klimarahmenkonvention von Rio tun wir gleichwohl weiter so, als sei ein neu produzierter VW eine volkswirtschaftliche Leistung und nicht vielmehr ein Schaden.
Wir alle, die wir uns positiv darüber identifizieren, dass wir immer wieder neue Konsumgüter verbrauchen, haben wenig Lust uns auszumalen, dass die Welt durch unsere nächste Flugreise und den nächsten Modetrend ein schlechterer Ort wird. Sich das „gesellschaftliche Gute“ utopisch vorzustellen, verdirbt uns die Konsumlaune. Die Klimakatastrophe reißt eine tiefe Kluft zwischen je individuellem Konsumbürgertraum und aufgeklärter Gesellschaftsutopie, welche die Lebensbedingungen künftiger Generationen mitdenkt.
Soll diese Kluft überbrückt werden, müssten wir uns ausmalen, nicht länger Konsumbürger zu sein. Mit anderen Worten, wir müssen uns wünschen, anders zu wünschen.
Das klingt schwieriger als es ist: Schon Morus‘ Utopia-Vision ist bevölkert von Bürgern, die sich dezidiert anderes wünschen als ihre englischen Zeitgenossen. Letztere, also die Zielgruppe des Romans, wollte Morus zum Nachdenken einladen, ob sie anderes zu wünschen wünschen. Dazu brauchte Morus eine voll ausgewachsene Utopie, inklusive Ironie und doppeltem Boden. Nicht deren kleine Schwestern, Vision und Leitbild. Denn erst ein ausgemaltes Utopia hilft uns auszumalen, wie es sein könnte, anders zu wünschen. Mit einem knappen „Mission Statement“ hätte Morus nur verhaltenen Spott, aber kaum 500 Jahre Nachhall geerntet. Oder überzeugt Sie folgende Version seines Romans: „Innerhalb von zehn Jahren entwickeln wir uns zu einer solidarischen und nachhaltigen Gesellschaft ohne schädigende Konsumtrends, in der die durchschnittliche Arbeitszeit auf sechs Stunden sinkt.“ Klingt etwas zu stark nach Regierungsberater? Nun, Morus war Gegenspieler von Thomas Cromwell unter den Beratern Heinrich des Achten.
Dr. Andres Friedrichsmeier ist Organisationssoziologe im thüringischen Bildungsministerium. Im factory-Magazin Handeln schrieb er Möge die Macht mit uns sein über Algorithmen im Internet.
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